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Die Automobil-Garage

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„Indem er weder Kosten noch Mühen scheute, ist es ihm gelungen, dem Ganzen ein freundliches Aussehen zu geben“, würdigt Ortschronist Walter Maier 1916 die Bemühungen des Rittergutsbesitzers Richard Schulz um eine Verschönerung des Wulkower Gutshofs. „Das Ganze erhält dann aber seine Vollständigkeit durch den in der Mitte des Hofes 1913 aufgeführten Bau der Automobil-Garage“.

„Würdiges Zuhause für das Automobil“

Tatsächlich wirkt das massive Gebäude mit dem Krüppelwalmdach sehr repräsentativ – ungewöhnlich für die Mitte eines Wirtschaftshofes. Aber die Anschaffung eines Automobils war schließlich eine prestigeträchtige Angelegenheit im Jahr 1913. Und so brauchte das Auto „ein würdiges Zuhause“, erzählte Schulz‘ Enkel Woldemar den derzeitigen Eigentümern, der Wulkower Familie Hartmann. In einer kleinen Broschüre haben die Hartmanns 100 Jahre später die Geschichte ihres Hauses festgehalten.

Von der Garage zur LPG-Werkstatt

Demnach blieb das Haus beim großen Gutsbrand am 2. Oktober 1931 wie durch ein Wunder verschont. Nach dem Einmarsch der Roten Armee 1945 sollen es Soldaten als Unterkunft genutzt haben – samt mitgeführtem Kleinvieh. Kurz darauf wurde das Gebäude als Werkstatt der Maschinen-Traktoren-Station genutzt, ab 1953 durch die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG). Zu dieser Nutzung gehörte auch ein Schmiedefeuer im hinteren, nördlichen Teil des Gebäudes. Seither wird das Haus von den Wulkowern oft als Schmiede bezeichnet – was gelegentlich zu Verwirrung führt: Die ursprüngliche Gutsschmiede befand sich im Gebäude des heutigen Dorfgemeinschaftshauses. Die LPG-Nutzung dauerte bis in die 1980er Jahre. Fotos belegen in dieser Zeit den ruinösen Zustand des Gutshofs. Im Dach der Garage klafften große Löcher.

Chauffeur und Limousine – Quelle: Privatarchiv Fam. Hartmann
Garage um 1980
Garage um 1980. Quelle: Privatarchiv Fam. Hartmann
Kurz vor dem Umbau 2010
Kurz vor dem Umbau 2010

Umgestaltung 2010

Mit der Wiedervereinigung fiel das Gebäude an die Treuhandanstalt, die das staatliche Vermögen der untergegangenen DDR verwaltete. Bis 2009 wurde das Haus als private Autowerkstatt genutzt. In einer Auktion im September desselben Jahres ersteigerte Familie Hartmann die Werkstatt und begann im Februar 2010 mit der Sanierung und Umgestaltung. „Über viele Monate wurde das Innere entkernt, hat Burkhard Hartmann gemeinsam mit Schwiegersohn Frank die Decken herausgerissen, Putz von den Wänden geklopft, der Betonfußboden entfernt, Fenster und Türen herausgerissen“, erinnern sich die Eigentümer. „100 Jahre alte Tore wurden aufgetrieben und ebenso alte Türen, 400 Jahre alte Kirchenfliesen für den Eingangsbereich und Berliner Fenster wurden neu gefertigt. Eine Eisensäule wurde gesetzt, um die Deckenstabilität zu sichern.“  Der Bereich des Kamins, wo sich das Schmiedefeuer befand, ist offengeblieben.

Draußen kommt das Kopfsteinpflaster wieder zur Geltung, großflächig wurde es erneuert. Auf dem in frischem Blauweiß gestrichenen Haus steht eine Wetterfahne mit der Jahreszahl 1900 – was Burkhard Hartmann ein kleines bisschen wurmt. Gern hätte er das Original von 1913 auf dem Dach gehabt.

„Den Erbauern zum Gedenken, der Nachwelt zum Schauen und uns zur Freude“

Ingrid und Burkhard Hartmann

Burkhard Hartmann erzählt, dass die Garage ursprünglich durch eine Wand in zwei Räume getrennt war: einen für die Unterbringung des Mercedes, der andere als Werkstattbereich. Hundert Jahre nach dem Bau sind bei den Renovierungsarbeiten allerdings weder Werkstatt- noch Garage entstanden, sondern Räume im Zeitgeschmack des Baujahres 1913 mit vielem Interieur aus dieser Zeit – bis hin zu Toilettenbecken und Küppersbusch-Herd.

So ist es den Bauherren nach genau hundert Jahren gelungen, aus einer heruntergekommenen Werkstatt ein sehenswertes Stück Wulkower Geschichte wiederzubeleben – „den Erbauern zum Gedenken, der Nachwelt zum Schauen und uns zur Freude“, wie sie stolz in ihrer kleinen Festschrift vermerken.

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